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Die Überraschung

Weihnachten ist das Fest der Liebe,
das Fest des Schenkens und des Lichts.
Das sich der Mensch im Geben übe,
kein Missgeschick die Freud trübe –
zart ist das Glück und schnell zerbricht´s!

Da geht ein emsig Vorbereiten,
zur Weihnachtszeit durch jedes Haus.
Besonders von den jungen Leuten
hat jeder seine Heimlichkeiten
und denkt sich was Besonderes aus.

Heimlichkeiten vor allen Dingen
ist der Bescherung Vorgenuß.
Man läßt da List und Tücke springen,
die Überraschung muß gelingen,
dann winkt auf Dank a heißer Kuß.

Wie wär´s mit einem Gänsebraten,
den ersten in der jungen Eh´?
Als Überraschung könnt´s nicht schaden,
wenn Gäste noch dazu geladen
zum gemeinsamen Dinee.

So dacht Frau X, das junge Frauchen,
und spart das Geld zur Weihnachtsgans.
Achtzig D. M. wird sie brauchen.
In Wonne strahlen ihre Augen,
wie jüngst, beim seligen Hochzeitstanz.

So naht das Fest in Riesenschritten.
Und mit ihm naht das Missgeschick,
in Form des Gänschen, das gelitten
den Opfertod und unbestritten
aussah, als verließ es Glück …

Gut befreit vom Ferderkleide
kommt das Gänschen auf den Herd.
Kochkunst hilft, daß ich bereite
meinen Gästen Magenfreude,
denkt die Frau etwas beschwert.

In die Röhre wird´s geschoben,
daß es schmort im eignen Fett:
Es wird gewendet, gehoben.
Soll das Werk die Hausfrau loben,
geht es heute spät zu Bett.

Ein ganzer Strom von Bratendüften
durchzieht verheißungsvoll das Haus.
Die Hausfrau wiegt sich in den Hüften
und tut im Geist die Gans beschriften:
Freude bringt der Weihnachtsschmaus!

Kaum erträgt die kleine Küche
soviel schweren Bratenduft,
Doch: O, Freud´ geh nicht in Brüche,
denn verdächtige Gerüche
steigen plötzlich in die Luft …

Die junge Hausfrau rümpft die Nase
und reibt sie gleich vor Schrecken ganz blank:
Hilf Himmel mir, daß ich nicht rase!
Der Gans entströmen jetzt auch Gase
und der Geruch wird zum Gestank!

Vor einem Rätsel steht das Frauchen
Und – vor einer Gans die stinkt
mit tränenüberströmten Augen.
Gibt´s auch Gänse die nicht taugen,
wenn man zum Verkauf sie bringt?

Da weicht ihr Kummer der Empörung.
Den Bauer – na – den zeig ich an!
Und ohne weitere Belehrung,
mit Verzicht auf die Bescherung
weckt sie schnurstracks ihren Mann.

Spricht von Betrug und Betrügen –
Der Mann vernimmt es mit Geduld …
Dann steht er auf und hebt den Riecher,
besieht die Gans, wird klug und klüger,
sagt: „Frau, nur du allein bist schuld!“.

„Als Resultat der Heimlichkeiten
hast du nun den ganzen Schitt.
Ich bin gewiß nicht unbescheiden.
Doch die Gans mitsamt den Eingeweiden –
nein, danke. Guten Appetit!“.

Von Herrn Otto Eberhardt aus Themar zur Verfügung gestellt
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